Abwettern im Guohpervágge
Der Tag beginnt früh um 3:30 Uhr. Ich wache auf, weil meine als Kopfkissen dienende Daunenjacke nass ist. Draußen stürmt und schneit es nach wie vor bei nur wenigen Minusgraden. Durch diese relative Wärme haben wir im Zelt Temperaturen um den Taupunkt. Ein mit Schnee verstopfter Lüfter hat scheinbar dafür gesorgt, dass sich die dünne Eisschicht, die sich am Innenzelt durch unsere Atemluft gebildet hat, getaut ist und jetzt von dort nach unten tropft. Und es kommt noch übler. Durch eine nicht mit Schnee abgedichtete Stelle des Außenzeltes wurde Schnee in Kays Apsis geblasen und hat dort seine gesamte Ausrüstung unter einem großen Schneeberg begraben. Nur gut, dass wir einen Schneebesen mitgenommen haben. Während Kay Rucksack und Pulka wieder unter dem Schnee hervorbuddelt, wische ich mit einem Handtuch die verbliebene Eisschicht von der Innenseite des Innenzeltes und bringe den Lüfter wieder in Ordnung. Nach diesem unfreiwilligen Einsatz schlafen wir bis zum morgen ohne weitere Störung. Gegen 9 Uhr, beim Frühstück, keimt etwas Hoffnung, als ich durch die etwas geöffnete Apsis ein kleines blaues Loch in den Wolken erkenne. Obwohl es bald darauf wieder im Einheitsgrau des Himmels verschwindet, fassen wir den Entschluß, unter allen Umständen weiter zu gehen. Um 11 Uhr ist alles soweit möglich verpackt und wir gehen den Abbau des Zeltes an, für den wir uns vorher einen genauen Plan zurechtgelegt haben. Diesmal läuft alles, trotz ähnlicher Bedingungen wie beim Aufbau, problemlos und nach nur 30 min Zeltausgraben und -verpacken sind wir abmarschbereit.
Wir kommen gut voran, da der Wind mächtig schiebt und den Schnee überwiegend fest gepresst hat. Die Sicht ist immerhin so gut, das wir bald den steilen Nordwestgrat des Guohperskájdde erkennen können. Dahinter liegt das nach Südost ziehende Álggavágge und, auf dem kleinen Plateau zwischen den beiden Tälern, die in der Karte verzeichnete Renvaktarstuga. Nach nur einer Stunde haben wir die 4,5 km zurückgelegt und können ungefähr 40Hm über uns eine Hütte mit Schornstein zwischen großen Felsbrocken ausmachen. Nur die pure Neugier und vielleicht die Aussicht auf ein im wahrsten Sinne des Wortes (wind-)stilles Örtchen, läßt uns das kleine Plateau erklimmen. Die Pulkas deponieren wir unter einem Stein und markieren den Punkt per GPS. Kurz vor Erreichen der Hütte pellt sich weiter hinten sogar noch eine zweite, größere Hütte aus den Wolken. Während Kay diese Hütte inspiziert, versuche ich, die völlig zugewehte Tür der ersten Hütte aus dem Schnee auszugraben. Verschlossen ist sie nicht, aber am Boden liegt ein großer Stein, der sie gegen Öffnen sichert. Ich will schon fast aufgeben, da ich nicht glaube, den festgefrorenen Stein bewegen zu können, aber Kay will es unbedingt versuchen. Zu meiner Überraschnung läßt er sich ziemlich problemlos beiseite rollen. Ein kleiner Vorraum mit allerlei Krempel führt zu einer weiteren Tür, hinter der sich der Hauptraum befinden muß. Als ich die Klinke drücke, kann ich es kaum fassen. Sie ist tatsächlich offen! In dem circa 15qm großen Raum finden sich drei Betten, Tisch, Hocker und einige Decken. Der alte Ölofen hat leider schon bessere Zeiten gesehen und scheint nicht mehr zu funktionieren. Ein Haufen Unrat liegt herum und Betten, Tisch und Fußboden sind mit Mäusekacke gespickt. Durch die undichten Plexiglasfenster ist etwas Schnee ins Innere gekommen. Spontan beschließen wir zu bleiben und hier noch einen Tag zu warten, um doch noch die Chance auf einen Blick auf die Sarektjåhkka-Hauptkette zu wahren, bevor wir von hier endgültig ins tiefe Rapadalen absteigen. Bei gutem Wetter. Morgen! Wir holen zuerst unsere Pulkas nach und säubern danach die Hütte von Mäusekutteln, Dreck, Müll und Schnee. Nach Ausschaufeln der völlig zugewehten Fenster wird es auch einigermaßen hell im Hüttchen. Als wir den ersten heißen Jagertee in der Hand halten, kommt fast sowas wie Gemütlichkeit auf, wenn man von den 0°C Innentemperatur einmal absieht. Aber mit Dauenjacke und Ohrenklappenmütze läßt es sich das Scheißwetter hier ganz gut aussitzen. Jedenfalls weitaus besser als im Zelt.
Tagesdaten:
Strecke 4,5km, Aufstieg 30m, Abstieg 50m, Gesamtzeit 1:20h, Gehzeit 1:10h