Im Rapadalen
Diesmal war es die erwartet kalte Nacht. Als ich früh um 8 Uhr das erste Mal aus dem Zelt schaue sind es noch immer -18°C am Außenzelt. Die Sonne steht bereits an einem wolkenlosen Himmel. Kaiserwetter. Die Kocherei ist heute nur mit Handschuhen machbar, da man sonst an allem Metall sofort kleben bleibt. Kay entdeckt bei einem Blick aus dem Zelt 4 Skifahrer mit Pulkas, die unser Zelt in ca. 150m Entfernung passieren und in Gegenrichtung unterwegs sind. Leider stecken wir noch in den Schlafsäcken und können nicht mit ihnen sprechen. Sie sind die ersten (und bleiben die einzigen) Menschen, die wir im Sarek sehen. Nach dem Frühstück im Schlafsack erreicht endlich die Sonne das Zelt und läßt es spürbar wärmer werden, was das umständliche Anziehen der Tageskluft etwas angenehmer macht. Bevor wir das Zelt abbauen, mache ich noch einige Fotos von Zelt und Umgebung, die von der direkt hinter uns befindlichen Låddebákte-Südwand dominiert wird. Es wird 10:40 Uhr, ehe wir bei -9°C aufbrechen.
Durch das südöstlich ausgerichtete Rapaselet haben wir die Sonne direkt von vorn. Es ist nahezu windstill und so müssen wir bald die Softshelljacken und dicken Handschuhe ausziehen, um nicht ins Schwitzen zu kommen. Trotz der so schönen Ausblicke, die sich von der gut einen Kilometer breiten Schwemmebene bieten, verlangt das Gelände jetzt mehr und mehr Aufmerksamkeit. Die zahlreichen Flußarme sind an manchen Stellen zu rutschigem Wassereis gefroren. Teilweise ist dieses Eis wieder in einzelne Platten zerfallen, deren scharfe Kanten wiederum Hindernisse für unsere Pulkas darstellen. Dort wo der Wind den Schnee nicht restlos davongeweht hat liegt er bretthart gefroren als Sastrugi über dem Eis. Bei jedem Überqueren einer solchen bis 30cm hohen Schneewehe schiebt und zieht die Pulka an einem und verhindert damit ein flüssiges Gleiten. Die Stahlkanten der Ski helfen zwar in diesem Gelände, müssen aber jedesmal mit großem Krafteinsatz der Fußgelenke gekantet werden, um ein seitliches Wegrutschen zu vermeiden. Für die gut 7 km bis zum Ende des Rapaselet brauchen wir so gut 2 Stunden, obwohl es eigentlich völlig eben ist.
Nach einer schönen, ausgedehnten Mittagspause bei bestem Wetter stehen wir am Ende des Rapaselet vor einer kleinen Schlucht, die uns durch große Felsblöcke und offenes Wasser den Weiterweg versperrt. Aus der Karte ist diese Steilstufe absolut nicht herauszulesen, obwohl es sich sicher um 30Hm handelt. Beim Maßstab 1:100.000 sind solche Details halt nicht mehr enthalten. Wir weichen nach links (nördlich) aus und müssen sogar kurz die Ski abnehmen, um die Pulkas über einige freigetaute Felsen auf ein kleines Plateau zu schleppen. Hier finden wir einige ältere Skispuren, denen wir durch lichten Birkenwald circa 500m folgen, bis wir über einen steilen Hang wieder zurück ins Flußtal absteigen können. Wieder müssen die Ski abgenommen werden, um im tiefen Schnee des Waldes die Pulka halbwegs sicher nach unten zu bringen. Durch hüfttiefes Einsinken bei jedem Schritt schlauchen die paar Meter ordentlich. Kay entwickelt eine neue Technik, die zwar etwas schräg aussieht, dafür aber ziemlich wirkungsvoll ist: Er geht auf den Knien und sinkt so wesentlich weniger ein. Hoffentlich sieht uns keiner, denke ich mir so. Wieder im Tal angekommen, geht es auf dem bereits bekannten Hartschnee nun zügig voran in Richtung des Rapadeltas. Wir sehen jetzt öfters alte Ski- und Scooterspuren, die allerdings meist sehr vereist sind und so nicht als Spur taugen. Darum halten wir uns meist am nördlichen Ufer des Ráhpaädno, welches das ständige Geholpere über Wassereis und Sastrugis vermeidet. Dafür muß ständig einseitig mit den Ski gekantet werden, um nicht abzurutschen. Kay, der sich wohl schon in den letzten Tagen eine Reizung des Außenbandes durch Überlastung eingefangen hat, verflucht das Gelände. Aber es hilft nichts, die Alternative durch den weichen Schnee des Waldes ist gerade jetzt am Nachmittag keine wirkliche Option.
Nachdem wir um die mitten im Tal stehenden Hügel des Alep und Lulep Spádnek herum sind, eröffnet sich der Blick auf die sehr markanten Wahrzeichen des Rapadeltas, die Tafelberge des Nammásj (823m) und des Tjahkkelij (1214m). Der berühmteste allerdings, der Skierffe (1179m) mit seinem 650m hohen Steilabbruch zum Delta, bleibt zunächst noch im Wald verborgen. Insgesamt wird die Landschaft jetzt nach Osten flacher und der zentrale Sarek liegt hinter uns. Obwohl die Stimmung mit der jetzt flach am Himmel stehenden Sonne herrlich ist, suchen wir uns mit den letzten Sonnenstrahlen um 17:30 Uhr wieder einen Platz im Wald und bauen recht mühsam unser Zelt auf dem weichen Schnee auf. Kaum ist die Sonne weg, fällt das Thermometer auf -11°C. Als wir gegen 20 Uhr beim Abendbrot sitzen und uns die wohlverdienten Nudeln schmecken lassen, sind es bei sternenklarem Himmel nur noch -16°C. Es wird wohl wieder eine kalte Nacht werden.
Tagesdaten:
Strecke 17,1km, Aufstieg 55m, Abstieg 95m, Gesamtzeit 6:10h, Gehzeit 4:30h