Von Aktse nach Sitojaure
Nach einer kalten Nacht und immerhin noch -10°C bei unserem Aufbruch um 10:30 Uhr wird uns sehr schnell warm, als wir den uns ja schon bekannten Anstieg erneut in Angriff nehmen. Diesmal allerdings mit der Pulka im Schlepp, was uns noch einmal schmerzlich vor Augen führt, wie einfach doch Skifahren mit leichtem Gepäck ist. Während wir gestern nach gerade mal einer halben Stunde oben waren, quälen wir uns heute sehr mühsam den steilen Hang hinauf. Selbst die wirklich guten Felle arbeiten an ihrer Haftgrenze und zwingen uns einige Male im wahrsten Sinne des Wortes in die Knie. Endlich erreichen wir die Baumgrenze und damit das Ende der größten Steilheit. Bei 920m ist schließlich die Schulter des Njunjes erklommen und damit der höchste Punkt des Tages erreicht. 1:30h haben wir für die immerhin 430Hm gebraucht. Gar nicht so schlecht mit unserem Gepäck finde ich.
Die Aussicht ist nett, wenn auch nicht mehr spektakulär. Eine endlose, hügelige und weiße Weite breitet sich vor uns aus. Das Gebirge liegt nun endgültig hinter uns. Nach einem ebenen Stück folgt dann die bisher längste und schönste Abfahrt hinunter zur Südspitze des Sitojaure. Gut 150Hm auf vielleicht 1km Streckenlänge in hartem, schnellen Schnee. Ich nehme ein kleines Videofilmchen während der Abfahrt auf, bis es mir irgendwann zu schnell wird. Dann will ich es nochmal wissen und erreiche in tiefer Hocke 38km/h, eine Geschwindigkeit, bei der man nicht über einen Sturz mit den 30kg Pulkagewicht nachdenken möchte, die da hinter einem herumpoltern. Durch den Fahrtwind wird die Kälte sofort wieder spürbar. Es sind auch jetzt am Mittag immerhin noch -9,5°C. Nach einem kurzen Waldstück erreichen wir bald darauf den Sitojaure unweit der jetzt im Winter unbewohnten Samensiedlung von Svijnne. Bei völliger Windstille und in praller Sonne genießen wir die Mittagspause und erwarten den Schotten, der heute eigentlich bis Saltoluokta durchziehen will und kurz nach uns aufgebrechen wollte. Er kommt aber nicht. Die letzten knapp 4km unserer bisher leichtesten Etappe spulen wir in einer Stunde auf der gut präparierten Scooterpiste über den See ab. Schon von weitem können wir die Siedlung Vággevárásj und die STF Hütten ausmachen. Ich erkenne bald auch den Bootssteg, an dem ich damals im August 2005 spät abends per Motorboot ankam. Damals gab es einen fantastischen Sonnenuntergang über den Bergen des Sarek am westlichen Ufer des Sitojaure. Ein völliger Gegensatz zur stillen, weißen Pracht der jetzigen Winterlandschaft. An den Hütten angekommen, werden wir schon vom Hüttenwart, einem älteren ehemaligen Offizier der schwedischen Armee, herzlich empfangen. Generalstabsmäßig erfolgt die 15min dauernde Einweisung in die Wies und Wos der Hütte. Ich erkenne einiges von meinem Aufenthalt vor 4 Jahren wieder. Da noch keine anderen Gäste angekommen sind, können wir uns einen der 6 Schlafräume aussuchen. Kurz nach uns trifft ein älteres Pärchen aus Villach in Österreich ein. Sie sind aus Saltoluokta gekommen und wollen auf dem Kungsleden weiter bis Kvikkjokk. Alle Achtung, beide sind weit über 70 Jahre alt! Als wir bereits beim Tee im warmen Aufenthaltsraum sitzen und die Aussicht über den See genießen, fällt uns ein recht unrund laufende Gestalt auf, die aus Richtung Aktse kommt. Sollte das der Schotte sein? Und tatsächlich, es ist der Schotte, der sich mühsamen Schrittes in Richtung unserer Hütte schleppt. Sein gestriger Sturz aufs Steißbein hat ihn doch mehr mitgenommen, als er das gestern Abend vermutete. Statt des geplanten Durchmarsches bis Saltoluokta wird er nun doch hierbleiben um sich noch etwas Erholung zu gönnen. Mir ist es sehr recht, denn so kann ich ihn über verschiedendste Gebiete in Norwegen und Schweden ausfragen. Er hat bereits alle 2000er Skandinaviens bestiegen und kann so zu allen Gegenden etwas sagen. Ein lebendes Tourenlexikon. Gegen 18 Uhr schaut ein Rotfuchs an der Hütte vorbei und läßt sich auch fotografierem, bevor er sich wieder in Richtung Wald verkrümelt. Na also, dann können wir nun auch beim Thema ‚Raubtier gesehen‘ ein Häckchen machen. Mit einem Braunbären oder zumindest einem Elch wird es wohl jetzt nichts mehr…
Tagesdaten:
Strecke 13,5km, Aufstieg 450m, Abstieg 355m, Gesamtzeit 4:30h, Gehzeit 3:30h