Von Sitojaure nach Saltoluokta

Da wir bei unseren nächtlichen Pinkelausflügen den guten alten Jøtul-Ofen stets mit neuem Brennholz versorgt haben, ist es bei unserem frühen Frühstück um 6:30 Uhr bereits angenehm warm im Aufenthaltsraum, während das Außenthermometer knackige -21°C anzeigt. Die Österreicher und auch James, der Schotte, sind ebenfalls schon auf den Beinen. Wir frühstücken noch einmal ausgiebig und vernichten die letzten Reste an Müsli, Milchpulver, Brot, Butter und Fett. Bis auf einige Nudeln und eine Suppe haben wir alle Vorräte aufgebraucht. Da wir heute an unserem letzten Ski-Tag noch einmal 19 km vor uns haben und unbedingt den Nachmittagsbus um 16:30 Uhr von Kebnats (gegenüber Saltoluokta) erreichen müssen, stehen wir bereits um 8 Uhr auf den Ski. Wie angenehm ist doch ein Aufbruch aus einer warmen Hütte im Vergleich zu dem aus einem kalten Zelt! 

Der erste und einzige Anstieg des Tages beginnt gleich hinter der Hütte in Richtung des Autsutjvagges. Durch die leichte Steigung und die Steigfelle an den Ski  haben wir die 100Hm auf 2km Streckenlänge schnell hinter uns gebracht. Zum Abschluß unserer Skitour haben wir noch einmal einen perfekten Wintertag abbekommen. Sonne, wolkenfreier Himmel und glitzernder Schnee. Allerdings wird bei jedem noch so leichtem Windzug die beißende Kälte in Gesicht und Nacken spürbar. Kein Wunder, es sind immer noch -17°C.  Ich bereue nicht das erste Mal auf dieser Tour, mir nicht das warme Mountain Peak Cap von Berghaus geleistet zu haben. Geiz ist manchmal eben nicht geil sondern dumm… Wir kommen durch die von Scootern und Skifahrern planierte Spur zügig voran und erreichen schnell das flache Autsutjvagge, auf dem es dann für einige Kilometer fast ohne Höhenunterschiede entlang geht. Die Landschaft erscheint mir jetzt im Winter gar nicht mehr so öde, wie ich sie bei der Sommertour 2005 empfunden habe. Obwohl die das Autsutjvagge begrenzenden Berge nicht sonderlich hoch und das Tal sehr breit ist, erscheinen die Felsabbrüche des Sjäksjo (1250m) doch recht alpin. Das tief eingeschnittene Flußbett gibt dem ganzen noch eine besondere Note. Der Rastschutz, der ungefähr auf halber Strecke nach Saltoluokta liegt, ist nach 10 km immer noch nicht erreicht. Wir befürchten schon, das wir ihn aufgrund der etwas unterschiedlichen Wegführung des Sommer- und Winterwegs verpaßt haben. Das GPS aber beruhigt uns: es sind fast noch 2 km bis zur Hütte. Nach der Umrundung mehrerer Möranenhügel sehen wir dann endlich die kleine dreieckige Hütte und sind froh, unsere Pause dort verbringen zu können, da der Wind inzwischen aufgefrischt hat. Es ist erst 11 Uhr und wir haben mehr als die Hälfte der Strecke geschafft. Das Hüttchen ist klein und einfach eingerichtet, verfügt aber sogar über ein Öfchen und etwas Feuerholz. Obwohl es außer in Notfällen offiziell verboten ist, könnten hier 3-5 Leute relativ komfortabel übernachten. Durch das einzige Fenster könne wir erkennen, wie unser Schotte auf dem Weg leicht oberhalb der Hütte vorbeizieht. Nach seiner etwas ungelenken Vorstellung gestern  will er uns heute scheinbar zeigen, wo der Hammer hängt. Wir aber haben Zeit heute. Erst gegen 12 Uhr brechen wir auf, um die restlichen Kilometer bis zur Fjällstation in Angriff zu nehmen. Bis 14 Uhr sollten wir es es doch schaffen, zumal es auf den letzten 3km noch ca. 350Hm nach unten geht!? Und genauso ist es. Nach weiteren 4 km können wir das tief eingeschnittene Tal unter uns sehen, in welchem der Langas See unterhalb des einst großen Wasserfalls Stora Sjöfallet liegt. Dieser gewaltige Wasserfall war 1909 der Grund für die Entstehung des gleichnamigen Nationalparks. Leider ist dieser durch die Aufstauung völlig im Wasser  verschwunden. Ein letztes Mal für diesen Winter genießen wir den schönen Blick in die schwedische Bergwelt, bevor wir uns an die allerletzte Abfahrt hinunter nach Saltoluokta machen. Es wird noch einmal ziemlich steil und spannend, muß man doch ständig mit entgegenkommenden Scootern rechnen. Diese haben bereits tiefe Wellen in die nach unten immer enger werdende Spur eingefahren. Ausweichen kann man ihnen nicht und bremsen ist schwierig. Also Augen auf, Knie tief und hoffen, dass man nach einer solchen noch auf den Ski steht. Kay legt es bei solch einen Loch noch einmal heftig bei 40km/h, wie ihm sein GPS auf Nachfrage mitteilt. Aua! Als wir die ersten Hütten passieren, kommt es fast zu Staus durch eine ganze Horde entgegenkommender Scooterfahrer. Es ist schon eigenartiger Menschenschlag. Die verbringen ihren Urlaub hier und bleiben anscheinend doch immer in der Nähe der Tränke. Der überwiegende Teil von ihnen ist übergewichtig und hat eine Schnapsnase, damit sich auch jedes Vorurteil bestätigt.
Vor dem Eingang der Haupthütte werden wir von einem sichtlich gut gelaunten James empfangen, der sich gleich als Fotograf für unser „Zielfoto“ anbietet. Das war es also für dieses Jahr. Schade eigentlich, es war wieder einmal eine wunderbare Skitour!

Wir erfahren an der Rezeption, dass das Skitaxi hinüber nach Kebnats gegen 16 Uhr vor der Tür losfährt und zudem noch kostenlos ist. Das macht die Entscheidung für uns nicht schwer, die Zeit lieber gemütlich im mit brennenden Kamin ausgestatteten Foyer bei einem Kaffee zu verbringen, anstatt 5 weitere, langweilige Kilometer über den See zu  hetzen. Obwohl es auf direktem Wege nur ca. 2 km sind, verläuft die markierte Route in einem großen Bogen über dem See, um einige Svag Is – Bereiche (dünnes Eis)  großräumig zu umgehen. James wird heute hier bleiben und noch einmal ausruhen um dann morgen zu einem gewaltigen Ritt über  48 km nach Teusajaure im Kebnekaise Gebiet anzusetzen. Wir wünschen ihm viel Glück für seine weitere Tour zum Nordkap und holen ein letztes Mal für diesen Winter Daunenjacken und Ohrenklappenmützen aus dem Rucksack, um auf der 15-minütigen Fahrt im Open-Air Taxi nicht doch noch zu erfrieren.  So schlimm wird es aber gar nicht, da sich im Anhänger ausreichend Rentierfelle und Decken befinden, in die man sich einmummeln kann. Außer uns sind nur noch zwei ältere Damen an Board, die wohl einige Tage hier in der Fjällstation verbracht haben. Der Bus aus Ritsem kommt nahezu pünktlich um 16:30 Uhr und bringt und in in rund 90 Minuten zurück nach Gällivare, wo wir eine gute Stunde Aufenthalt haben. Gleich am Bahnhof gehen wir ins erstbeste Fastfood-Lokal und ordern das allergrößte Menü mit Doppel-Burger, Pommes und Cola. So gut hat es mir dort lange nicht mehr geschmeckt.

Gegen 19 Uhr nehmen wir den Zug nach Kiruna, wo wir eine Stunde später ankommen. Per Taxi geht es dann wie üblich ins STF Vandrarhem am Bergmästaregatan. Dort nehme ich endlich wieder meinen Personalausweis im Empfang, den mir Susi hierher geschickt hat. Ich habe wirklich Glück: der Brief mit dem Ausweis ist tatsächlich erst heute hier angekommen. Nach einer ausgiebigen Dusche gehen wir, genau wie im letzten Jahr, in den im gleichen Haus befindlichen Citykrogen und lassen die Tour bei einigen Bieren noch einmal Revue passieren. Es war tatsächlich wieder eine klasse Tour mit allem was dazugehört! Nach der ersten Tour von Kilpisjärvi nach Abisko im Jahre 2007 war die logische Fortsetzung von dort weiter nach Süden vorzustoßen. Um nicht auf dem Kungsleden zu gehen, wählten wir im letzten Jahr eine Strecke weiter westlich aus und gingen vom norwegischen Katterat über Cunojaure, Gautelis und Hukejaure bis nach Nikkaluokta. Auch von dort gab es dann wieder eine logische Fortsetzung nach Süden. Statt Kungsleden oder Padjelanta war das eben jetzt der Sarek. Die Frage die sich jetzt stellt ist, ob es Sinn macht eine weitere Etappe nach Süden, zum Beispiel von Kvikkjokk nach Jäkkvik, zu gehen. Eine ähnlich spektakuläre Landschaft wie auf den bisherigen drei Etappen wird es dort so wohl nicht mehr geben. Also lieber ganz etwas anderes? Sylarna, Jotunheimen, Breheimen oder Rondane sind sicher auch eine Skitour wert. Mal schauen…


Tagesdaten:

Strecke 19,5km, Aufstieg 225m, Abstieg 490m, Gesamtzeit 5:25h, Gehzeit 4:20h