Tagestour zum Gipfel des Skierffe

Das Wetter bleibt gut. Das bestätigt uns auch der Hüttenwart, der gerade den aktuellen Wetterbericht im Radio gehört hat. Also entscheiden wir uns zum Hierbleiben und zu einer Tagestour zum nur 7 km entfernten Skierffe. Mit Tagesgepäck statt Pulka und den Fellen an den Ski steigen wir ziemlich zügig über den steileren Sommerweg nach oben und erreichen schon nach einer halben Stunde die Baumgrenze, die bei ca. 750m verläuft.

Schon vor dem in der Karte verzeichneten Abzweig schwenken wir langsam nach Westen und folgen den Spuren zweier Skifahrer, die wir kurz darauf vor uns erkennen. Interessant ist, das es hier in der letzten Zeit keinerlei Neuschnee gegeben hat. Von den Schneefällen der letzten Woche ist hier überhaupt nichts angekommen. Auf den Bäumen liegt kein Schnee mehr, dafür ist der Wald übersät mit Nadeln und kleinen Zweigen, welche die einst weiße Winterlandschaft eher in ein schmutziges Grau tauchen. Dafür läßt es sich im hartgepreßten Firn oberhalb der Baumgrenze umso besser aufsteigen. Mit jedem Schritt rückt das winterliche Rapadalen besser ins Blickfeld. Die zwei Schneebuckel, die uns noch vom Gipfel trennen, übersteigen wir schnell. Im Sattel dazwischen holen wir die zwei Skifahrer ein und bedanken uns für ihre Spurarbeit. Die beiden Franzosen sind ebenfalls von Aktse zu einer Tagestour gestartet, haben aber in der anderen Hütte geschlafen, so dass wir sie vorher nicht gesehen haben. Sie schaufeln sich zwei Schneesitze, um eine längere Siesta zu halten. Kein Wunder, bei völliger Windstille und in der warmen Sonne lädt dieser Platz geradewegs dazu ein.

Wir steigen noch etwas auf, bis wir den Beginn einer felsigen Rippe erreichen, die direkt zum Gipfel führt. Skidepot. Die letzten 130Hm steigen wir zu Fuß über die einfach zu gehende Rippe hinauf und werden am Gipfel mit einem fantastischen Ausblick belohnt. Als ich im Sommer 2005 hier oben stand, sah ich nichts außer der steilen Abbruchkante ins Rapadelta. Heute dagegen gibt es eine nahezu grenzenlose Rundumsicht. Das Rapadelta glitzert 700Hm unter uns in der Mittagssonne, im Süden begrenzt durch den fast gleichhohen, 3km breiten Tafelberg des Tjahkkelij. Südöstlich von uns liegt uns der Laitaure und der südlich dahinterliegende, wesentlich größere Tjaktajaure zu Füßen, der im Osten bis in die flache, scheinbar endlose Taiga Lapplands hineinragt. Der markante Nammásj direkt westlich von uns wirkt von hier zwar nicht so dominant wie vom Tal aus, ist aber trotzdem eine markante Erscheinung als Talwächter des Rapadalens. Das Rapadalen können wir bis zur Einmündung des Sarvesvágges verfolgen, während die höchsten Gipfel der Gådoktjåhkka-, Pårte-, und Sartektjåhkka-Gruppen in den Wolken stecken. Nach Norden erstreckt sich ein riesiges, weißes Hochplateau bis zum tiefen Einschnitt des Sitojaure, unserem morgigen Ziel.  Wir verbringen eine gute Stunde im Windschutz eines Felsblockes auf dem Gipfel und genießen die Aussicht und das schöne Wetter, auf das wir so lange warten mussten.

Zurück zum Skidepot brauchen wir keine Viertelstunde und auch die 70Hm Gegenanstieg zum Slieńgetjåhkkå sind schnell abgespult. Ich schalte kurz das Handy ein und tatsächlich haben wir hier oben Empfang. Erstaunlich, das der am Ostende des Tjaktjajaure und damit ca. 20km entfernte Funkturm so weit strahlt. Nach einer Woche ‚Nachrichtensperre‘ können wir uns so mal wieder zu Hause melden. Dann aber beginnt die gut 3km lange Schrägabfahrt hinunter bis zum markierten Winterweg des Kungsleden. Was für mich trotz des kräftezehrenden Kantens eher Genuß und Spaß ist, dürfte für Kays rechten Knöchel die reinste Tortour sein. Trotz mehrerer Pausen und kleineren Stürzen kommt er aber besser zurecht, als ich befürchtet hatte. Vom Winterweg des mit roten Doppelkreuzen markierten Kungsledens geht es zunächst seicht bergab ueber die hartgepressten Ski- und Scooterspuren, bis wir schließlich wieder die Waldgrenze erreichen. Es wird zunehmend steiler und der Weg verengt sich mehr und mehr zu einem Hohlweg. Die ersten Kehren kann ich gerade noch so im Schneeflug fahren, aber irgendwann ist auch damit Schluß. Der Weg ist jetzt so eng, das es einen die Ski hinten wieder zusammendrückt und ein Bremsen nahezu unmöglich macht. Die nächste Kehre endet für mich so im Geäest eines Baumes. Als ich Kay kurz hinter mir mit den Ski in der Hand sehe, gebe auch ich auf und wir gehen die letzten Höhenmeter zu Fuß hinunter nach Aktse.

Kurz nach 16 Uhr sitzen wir wieder in der warmen Hütte und verbringen einen entspannten Nachmittag bei Kaffee und Cookies. Neben zwei schwedischen Eisanglern, die natürlich mit Scootern unterwegs sind, kommen gegen 19 Uhr noch zwei Holländer, die wir aus der Ferne schon beim Abstieg vom Skierffe gesehen haben. Sie sind von Sitojaure über den Skierffe nach Aktse gekommen, was eine schöne Alternative zum doch recht langweiligen Kungsleden darstellt. Ganz spät kommt noch ein Schotte mit Ski an, der die 40km von Kvikkjokk bis Aktse am Stück gemacht hat. Wie sich im Laufe des Abends herausstellt, ist er auf einer Süd-Nord-Skidurchquerung ganz Norwegens. Gestartet ist er am 1. Januar und bis 1. Mai will er -noch vor der Schneeschmelze- am Nordkap sein. Da er ohne Pulka unterwegs ist, wird er die beiden anderen Süd-Nordler, die wir vor 8 Tagen in Ritsem getroffen haben, sicher bald einholen. Per Kajak will er dann wieder an der Westküste in weiteren 4 Monaten zurück zur Südspitze fahren. Ja, Zeit müsste man haben… 


Tagesdaten:

Strecke 16,3km, Aufstieg 950m, Abstieg 950m, Gesamtzeit 6h, Gehzeit 4:45h