Von Kisuris zum Guohpervágge

Das Wetter hat sich über Nacht nicht wesentlich geändert. Es ist mit 0°C immer noch sehr warm, schneit und ist annähernd windstill. Trotzdem ist die Sicht einigermaßen gut, so dass wir unseren Weiterweg durch das Hochtal des Sjpietjavjåhka bereits aus dem Fenster sehen können. Zunächst müssen wir dazu 150Hm zwischen den Bergen Sjpietjav (1041m) und Gisuris (1664m)  aufsteigen, um dann nahezu ohne weitere Steigung bis zum Eingang ins Guohpervagge zu gelangen. Genau entlang unseres heutigen Weges verläuft auch die Grenze zwischen den Padjelanta und Sarek Nationalparks. Bei leichten Plusgraden brechen wir um 10:30 Uhr auf, nachdem wir die Bequemlichkeit des Frühstücks in einer warmen Hütte zum vorläufig letzten Mal ausgiebig genossen haben.  An der verschlossenen Haupthütte geht es vorbei durch lichten Birkenwald. Die befürchteten Querungen von Kerbtälern bleiben uns erspart und so erreichen wir schnell die baumlose Zone auf ca. 600m. Die Felle leisten jetzt gute Dienste beim Aufstieg. Leider bläst der Wind hier oben spürbar stärker aus westlichen Richtungen und zusammen mit dem Schneefall ist es recht unangenehm an Nase und Ohren.

Als wir nach 30 Minuten hinter dem Schneebuckel des Sjpietjav verschwinden, kommen wir in den Windschatten. Bald stellt sich die Frage, ob wir oberhalb des immer noch vielleicht 30m tief eingeschittenen Flußbettes bleiben wollen oder einfach in dieses abfahren sollten. Da die Stelle für eine Schrägabfahrt gerade zu taugen scheint, entschließen wir uns für letztes. Ein Fehler, wie sich nach nur 20m Abfahrt rausstellt. Ich habe  mich gerade noch auf den Beinen halten können, während die Pulka hinter mir auf dem Kopf steht. Bewegungsunfähig schnalle ich Ski, Pulka und Rucksack ab und stecke sofort mehr als knietief im weichen Triebschnee. Die Steilheit schätze ich auf  35° bis 40°, was wir von oben niemals so eingeschätzt hätten. Was tun jetzt, Pulka den Hang hinunterrutschen lassen oder wieder nach oben? Ich entscheide mich für letzteres. Kay läßt mir die Reepschnur runter und zusammen ziehen und schieben wir nun schon schon zweiten Mal die Pulka wieder nach oben. Um selbst wieder nach oben zu kommen, muß ich mich durch jetzt hüfttiefen Schnee wühlen, bis ich den Rand endlich wieder erreiche. 20 Minuten kostet uns diese Aktion.
Nur wenig später geht das Tal in eine Hochebene über. Der Schneefall hört auf und sogar die Sonne zeigt sich immer mal für einige Minuten. Bei der Mittagspause direkt südlich des Sjpietjav merken wir, das es kälter geworden sein muß. Und tatsächlich, das Thermometer zeigt -3°C, obwohl es durch Sonne und Windstille deutlich angenehmer ist, als heute morgen beim Aufstieg im Wind. Kurz darauf sehen wir in einigem Abstand eine 7er Gruppe mit Pulkas, die in der entgegengesetzten Richtung unterwegs ist und recht weit oben an den westlichen Hängen des Gisuris läuft. Leider sind wir zu weit weg, um sie nach dem Woher und Wohin zu fragen. Sie scheinen aus dem nahe Sierggavágge und damit aus dem Sarek gekommen zu sein, wo auch wir morgen hinwollen. Wir halten uns jetzt strikt südlich und passieren eine Sommersiedlung der Rentierzüchter, welche auch als „Rengärde“ in der Karte verzeichnet ist. Sie scheint aber aufgegeben worden zu sein, da außer ein paar Zaunresten und den Holzgerippen alter Koten nichts weiter vorhanden ist. 
Es wird kälter und ist jetzt nur noch -7°C. Der Wind bläst nun wieder kräftig, diesmal allerdings aus Nord und damit uns in den Rücken. Noch reichen unsere Softshelljacken aus, nur an Nacken und Hinterkopf zwickt die Kälte empfindlich.  Die Gegend ist unheimlich weitläufig und recht öde, da die Berge des Sarek im Osten hinter einer dicken Wolkendecke liegen. Nach Süden setzt sich die Hochebene scheinbar endlos fort und die verschneiten Buckel des Padjelanta im Westen sind auch nicht so spektakulär. Wir halten uns jetzt immer etwas östlich der Talsohle des Sjpietjavjåhka, um den weicheren Schnee dort unten zu vermeiden. Ob das unser ständiges auf und ab am Hang beim Umgehen von freigeblasenen Felsen rechtfertigt, sei mal dahingestellt. Erst aus gut 1km Entfernung sehen wir eine der auch in der Karte verzeichneten Samenhütten, welche an der Spitze einer Landzunge liegt, die in den Låvdakjávrásj-See hineinragt. Kurz darauf erkennen wir auch einer zweite und dritte Hütte. Die Schornsteine lassen Hoffnung auf eine warme Hütte aufkommen, obwohl ich mir nicht wirklich vorstellen kann, das sie offen sind. Sind sie auch nicht, wie wir kurz darauf feststellen müssen. Auch die traditionalle Samenkote ist so zugeschneit, das wir einen Eingang trotz massiven Gestochere mit den Skistöcken nicht finden können. Immerhin bietet die größte der Hütten einen angenehmen Windschutz und eine ebene Fläche auf der Leeseite, so dass wir das Zelt direkt neben der Hütte aufstellen können.

Als wir das Zelt endlich ordentlich vertäut haben und einziehen können, zeigt das Thermometer -12°C. Schnell ziehen wir uns die warme Abendkluft an und verschwinden in die Schlafsäcke, in denen wir den weiteren Abend verbringen. Jetzt ist Zeit für einen ordentlichen Jagertee, den Kay wieder dabei hat. Danach beginnt die langwierige Prozedur des Schneeschmelzens, die einen nicht unwesentlichen Teil der Abendbeschäftigung darstellt. Wenigstens ist Kay heute damit dran…
Gegen Abend schläft der Wind langsam ein und läßt bietet uns noch einmal Gelegenheit, einen Blick ins direkt vor uns liegende Guohpervágge zu werfen, welches zumindest teilweise durch die Wolken hindurch erkennbar ist. Hoffentlich haben wir morgen auf unserem Weg durch das Guohpervágge bessere Sicht.


Tagesdaten:

Strecke 14,2km, Aufstieg 280m, Abstieg 130m, Gesamtzeit 6h, Gehzeit 5h