Arentzbu – Fåberg

Wie geplant stehen wir noch vor Anbruch des Tages um 5 Uhr auf und frühstücken im Licht unserer Stirnlampen. Obwohl der Ofen über Nacht mangels Holz ausging, sind es noch immer +13°C und alle Sachen, von Kay’s und meinem Schlafsack abgesehen, sind tatsächlich trocken geworden. Bevor wir gegen 8 Uhr aufbrechen, markieren wir die Tür des Holzschuppens mit einem alten Ski für die nächsten Skifahrer. Sie sollen wenigstens wissen, wo sie graben müssen. Im Hüttenbuch hinterlassen wir (wie schon 2012) den Vorschlag, dass die letzten Besucher im Herbst doch einige Säcke Holz direkt in den Hütten deponieren sollten für die paar Skifahrer, die im Winter hierher kommen und nichts vorfinden.

Das Wetter ist bei Abmarsch ganz OK, kaum Wind, akzeptable Sicht und um die -5°C. Der Schnee hat sich im Vergleich zu gestern einigermaßen gesetzt und ist härter, was das Gehen deutlich angenehmer macht. Schon nach einem Kilometer verlassen wir das Rausdalen und biegen nach Westen ab, um über einen 300Hm Aufstieg ins Hochtal Martadalen zu gelangen. Wir können unser Glück kaum fassen, ist doch die Steigung moderat und das Gelände wesentlich weniger von Rinnen und Felsabbrüchen durchzogen, als das der letzten 2 Tage. Wir gewinnen schnell Höhe, umgehen steilere Abschnitte durch mehrere Zickzacks und erreichen den ersten See des Hochtales nach nur einer Stunde Aufstieg. Den canyonartigen Abfluss des hier offenen Sees umgehen wir nördlich, um wenig später auf dem auf 1198m liegenden Martadalsvatnet dahinzugleiten. Das enge Hochtal wird zu beiden Seiten von ca. 1600m hohen Bergen begrenzt, die recht eindrucksvolle Felswände besitzen. Wir merken, dass sich die Sonne mehr und mehr durchsetzt und die Sicht immer besser wird. Mitten auf dem See machen wir die erste Pause des Tages und können es kaum erwarten, dass die Sonne die letzten Wolken auflöst und einen tiefblauen Himmel hinterlässt. Wow, so schön kann das alles sein! Wir hatten es beinahe vergessen auf dieser Tour.

Über eine kleine Stufe erreichen wir den nächsten See, überqueren auch diesen und steigen nun bei bestem Wetter und ca. 0°C eine größere 180Hm hohe Stufe zu einem kleinen Pass auf 1380m auf, welcher die höchste Stelle des Tages darstellt. Da die Aussicht zurück auf das Martadalen und bis hinüber zum Harbardsbreen zu schön ist, suchen wir uns einen großen Stein und machen gegen 12 Uhr Mittagspause. Zufriedenheit macht sich breit. Wir liegen gut in der Zeit, das Wetter ist top, das Gelände gut, die Aussicht fantastisch und nicht zuletzt: von hier geht es nur noch nach unten.

Wir entfernen die Felle und merken sofort, das wir nun schneller unterwegs sind. Eine erste kleine Abfahrt führt zu einem See, bevor uns eine weitere zum wesentlich größeren See Holmevatnet bringt. Dabei müssen wir das ein oder andere Mal auch in den Schnee fassen, wenn die Ski uns durch unterschiedliche Schneetiefen innerhalb eines Hanges abrupt abbremsen. Beim Überqueren des Holmevatnet merken wir, das der Schnee durch die Sonneneinstrahlung nun wieder weicher wird.

Aber egal, vom Ende des Sees, wo wir die kleine private Hütte Holmevassbu passieren, erreichen wir bald die steile Kante, die den Übergang zu unserem Abstiegstal, dem Fagredalen, markiert. Welch ein Blick! In der Tiefe können wir bereits das bewaldete Jostedalen erkennen, während direkt gegenüber die Ausläufer des rießigen Jostedalsbreens, dem größten kontinentaleuropäischen Gletscher, zum Greifen nah erscheinen.

Wir fahren die weiten, unberührten Hänge des Tales voll aus, immer darauf bedacht so steil wie nötig zu fahren, um im immer weicher werdenden Schnee in Fahrt zu bleiben. Und andererseits nicht zu schnell zu werden, um die nächste Mulde mit noch weicherem Schnee ohne Bruchlandung zu überstehen. Mit einem leichten Telemarkschritt läßt sich das ganz gut ausbalancieren – meistens.

Allein diese Abfahrt entschädigt für die vielen Tage Schlechtwetter, die wir diesmal ertragen mussten. Einfach nur traumhaft! Wir erreichen schnell eine Kante, die den Übergang vom Fagredalen ins Vetlestølsdalen bildet. Laut Karte windet sich ein Fahrweg in vielen Kehren bis in diese Höhe. Zu sehen ist davon freilich nichts, nur weiter unten im beginnenden Birkenwald läßt er sich erahnen.

Über ein steileres Stück geht schnell weiter bergab und wir erreichen die ersten Birken auf ca. 800m Höhe. Dann sehen wir etwas unter uns eine Brücke des Fahrweges und dahinter den Fahrweg selbst. Wir überqueren die Brücke, auf der immer noch gut 2,5m Schnee liegen und folgen von nun an dem ungeräumten Fahrweg. Weiter unten im Tal können wir bereits die geräumte Hauptstraße erkennen. Ein Glück! Wir stellen die Handys an und haben jetzt, nach einem fast einwöchigen Funkloch, guten und stabilen Empfang. Wir rufen ein Taxiunternehmen im 40km entfernten Gaupne an und können nach ca. fünfminütiger Diskussion den Eigentümer überzeugen, das wir wirklich von hier oben abgeholt werden möchten. Es ist jetzt 15 Uhr und wir bestellen das Taxi für 16 Uhr nach Fåberg. Auf dem weiteren Weg durch den nassen, tiefen Schnee stellen wir bald fest, das wir wohl zu optimistisch waren. Obwohl der kleine Ort zum Greifen nah scheint, brauchen wir doch länger als erwartet. Der nasse Schnee pappt jetzt an den Schuppen der Ski und macht das Vorankommen immer schwieriger. Besonders Kay hat damit zu kämpfen und verzweifelt fast. So sind wir erst gegen 16:30 Uhr an der Straße an, wo wir von unserem Taxi schon erwartet werden.

Wir lassen uns in gut einer Stunde nicht nur nach Gaupne, sondern gleich weiter ins nochmal 35km entfernte Sogndal fahren, wo wir für die Nacht ein Appartment gemietet haben. Gegen 18 Uhr treffen wir dort ein, nehmen eine Dusche und telefonieren dann mit den Lieben daheim, die sich schon Sorgen gemacht hatten. Mit Pizza und Bier belohnen wir uns am Abend und können es immer noch kaum fassen, das wir doch noch geschafft haben, was uns vor zwei Tagen unmöglich erschien: Heute hier anzukommen und morgen unseren Rückflug doch noch zu erreichen.


Tagesdaten:

Strecke 18,6km, Anstieg 600Hm, Abstieg 1470Hm, Gesamtzeit 8:25h, Gehzeit 7:05h