Flabrehytta – Bings Gryte

Begünstigt durch das gute Wetter und die schöne Aussicht haben wir noch recht lange herumfotografiert und sind erst spät in die Betten gekommen. Somit wird es 9 Uhr, ehe wir uns aus dem mollig warmen Schlafsäcken pellen. Nach gemütlichen Frühstück kommen wir erst kurz vor 12 Uhr bei sonnigem Wetter und angenehmen 18°C los. Der Blick hoch zum Gletscher ist frei, während sich weiter unten die Wolken langsam zu verdichten scheinen.  Der zunächst noch gute Pfad verschwindet bald unter einem Altschneefeld, welches ziemlich steil in Richtung Nord führt. Wir entscheiden uns, nicht  im weichen Schnee sondern stattdessen über den rechts  davon befindlichen, schneefreien Rücken aufzusteigen. Das ist zwar auch nicht gerade erholsam, aber immerhin vermeidet es die ständige Rutscherei. Außerdem haben wir einen meist guten Blick auf den Gletscher, der rechts unter uns liegt und doch nicht so einladend aussieht um diese Jahreszeit. Den höchsten Punkt des Rückens umgehen wir rechts (östlich) und über eine Scharte im jetzt felsigen Gratverlauf des Rückens queren wir kurze Zeit später nach links zurück auf den originalen Pfadverlauf. Hier haben wir Glück, unsere gemachten Höhenmeter nicht wieder zu verlieren, da der steile Schneehang gerade an dieser Stelle flach auf unserer Höhe ausläuft. Der Höhenmesser zeigt 1200m, der Blick nach vorne nur noch Schnee. Endlich kommt  der langersehnte  und spannende Zeitpunkt, die Schneeschuhe bzw. Ski anzuschnallen sowie einen Teil der Rucksacklast  in die Zugsäcke zu verlagern.

Es funzt tadellos mit den neuen Kurzski und auch die circa 10kg weniger auf dem Rücken machen das Laufen weitaus angenehmer. Nach einem kleinen Aufschwung von vielleicht 20Hm stehen wir am Gletscherrand, dessen Begrenzung eigentlich kaum als solche erkennbar ist. Nur einige schmale Querspalten vor uns deuten  darauf hin. Also nochmal Pause und anseilen. Der Blick nach unten in Richtung Fjærlandsfjord lässt nichts Gutes erahnen. Die Wolkendecke dort ist dunkel und geschlossen, wahrscheinlich regnet es sogar schon. Während diese Wolken langsam zu uns hochziehen, sieht es in unserer Richtung immer noch ganz gut aus. Also los! Es folgt zunächst ein flaches, nur leicht ansteigendes Stück, bevor uns ein etwas steilerer Aufschwung von ca. 100Hm auf das Hauptplateau des Jostedalsbreen bringt. Der Hauptgipfel der Supphellenippa liegt zum Greifen nah, wir aber wollen noch einige Kilometer schaffen heute. Mitten im steileren Stück holt uns das Wetter aus Süden dann endgültig ein. Binnen weniger Minuten hat es sich von nahezu perfekt in Nullsicht mit Regen gewandelt. Wenigstens ist es noch windstill. Wir überlegen kurz, das Zelt aufzustellen, gehen dann aber doch weiter in der Hoffnung, das wenigstens der Regen aufhört oder zumindest in Schnee übergeht. Das jetzt folgende fast ebene Teilstück lässt sich nur im Instrumentenflug bewältigen. Das heißt die Peilung am Kompaß einstellen und dann ständig, d.h. während des Gehens mit den Skistöcken, überprüfen. Eine nervige Sache, da man sich zusätzlich noch darauf konzentrieren muss, den nächsten Schritt nicht unbedingt in eine Spalte zu setzen. Genau diese nehmen nämlich nach einer weiteren Stunde kurz vor Erreichen des Grensevardens (1766m) wieder zu. Zudem fahren wir in einen östlich ausgerichteten Hang hinein und verlieren wertvolle Höhenmeter. Ein Blick auf die Karte verrät, dass wir etwas zu weit nach rechts (Ost) abgekommen sind und uns am Beginn einer in Richtung Langedalen herunterfließenden Gletscherzunge befinden.

Also setzen wir Kurs auf Nordwest und wurschteln die verlorenen 60 Höhenmeter wieder nach oben, teilweise in Serpentinen bei geschätzen 35° Hangneigung. Was mich angenehm überrascht ist das Handling der nur an einer Reepschnur befestigsten Packsäcke. Gerade bei Kehren hat man klare Vorteile gegenüber dem steifen Gestänge einer Pulka. Die nur 99cm langen Kurzski bzw. die noch kürzeren Schneeschuhe von Alex tun ein übriges. Nachdem wir die 1700m Höhenlinie erreicht haben, halten wir Höhe und umrunden den Grensevarden westlich, bis unser Kurs wieder Nord ist. Wie einfach wäre das alles bei vernünftiger Sicht!  Noch ein kleiner Abstieg zum Plateau vor Bings Gryte und dann lassen wir es gut sein für heute. Die Engstelle bei diesem Wetter zu passieren, muss nun wirklich nicht sein. Gegen 19:15 Uhr bauen wir bei Nieselregen, leichtem Wind und nur noch 6°C das Zelt auf.

Erst nach 20 Uhr surrt endlich der Kocher und wir können es uns bequem machen. Gegen Abend klart es wider Erwarten nochmal kurz auf und gibt die Sicht auf die Eisbrüche östlich der Bings Gryte und den Grensevarden frei. Dazu können wir weiter im Osten den auch zum Jostedalsbreen gehörenden Seitenarm des Austerdalsfjellet ausmachen und ganz entfernt sogar die Gipfel von Jotunheimen sehen. Für eine kleine Fotosession verlassen wir sogar nochmal die Schlafsäcke, aber die durch Wolken und das warme Licht der Abendsonne inszenierten Lichtspiele sind einfach zu schön, um sie nicht dauerhaft festzuhalten. Erst gegen 23:30 Uhr liegen wir wieder im Zelt und können noch eine ganze Weile Lesen, da es immer noch hell genug ist…


Tagesdaten:

Strecke 12,5km, Aufstieg 815m, Abstieg 195m, Gesamtzeit 9:25h, Gehzeit 7:30h