Die Wahl für die diesjährige Skitour fiel auf das nicht so bekannte Ryfylke-/ Bykleheiene, welches sich direkt südlich an die wesentlich bekanntere Hardangervidda anschließt und bis hinunter zum Lysefjord reicht. Die ganzjährig geöffnete Fjellstation Haukeliseter bietet sich hierbei als guter Startpunkt an, da sie von Oslo gut mit dem Haukeliekspressen in 5 Stunden zu erreichen ist. Das Gebiet liegt nahe der Westküste und nördlich von Stavanger, der Hauptstadt der Provinz Rogaland und viertgrößten Stadt Norwegens. Unser Plan ist, von Haukeliseter nach Süden bis zum kleinen Weiler Lysebotn am östlichen Ende des spektakuären Lysefjords über das hochplateauartige und sehr seenreiche Gebiet zu fahren, in dem mehrere Routenoptionen und Abstecher möglich sind. Wir werden uns viel über zugefrorene Seen bewegen, von denen einige auch zu riesigen Stauseen verbunden wurden und zur Stromerzeugung genutzt werden. Je nach Schnee- und Eisbedingungen und dem Wetter werden wir diesmal erst vor Ort entscheiden, welche Route wir nehmen. Da wir die meiste Zeit in Höhenlagen um die 1000m und damit oberhalb der Baumgrenze unterwegs sein werden, können wir auf guten, harten Schnee hoffen und das bei nicht allzu vielen Höhenmetern, zumindest im Vergleich zur letztjährigen Tour in Trollheimen. Die kürzeste Route wird ca. 140km lang sein und läßt auch Spielraum für Abstecher und eventuell eine Tagestour auf einen der höheren Gipfel. Die schweren Pulkas können zuhause bleiben, da die meisten DNT-Hütten in dieser Region über Proviant verfügen. Obwohl uns dies einiges an Schlepperei ersparen wird, rechnen wir immer noch mit einem Rucksackgewicht von ca. 16-18 kg, da die Standardausrüstung wie Schlafsack, Isomatte, Biwaksack und Schneeschaufel für den Notfall immer dabei sein müssen. Landschaftliches Highlight wird sicher der spannende Abstieg hinunter zum Lysefjord und die von dort folgende Fährüberfahrt durch den gesamten Fjord sein. Dabei geht es unter anderem auch vorbei an der 600m hohen, direkt über dem Fjord liegenden Aussichtskanzel des Preikestolen. Hoffentlich werden wir an diesem Tag schönes Wetter haben…
blau = geplante Routenoptionen (140-170km), rot = tatsächlich gelaufene Strecke (154km)
Mittwoch, 5. März 2025
Anreise nach Haukeliseter
Nach Übernachtung in Frankfurt stehen wir um 5 Uhr im Terminal, checken problemlos ein und heben fast pünktlich mit dem kaum gefüllten A321 der Lufthansa ab. Das Gepäck inklusive des Skisacks kommt diesmal 10min nach der Landung an der Gepäckausgabe an, so dass wir nur 45 min später am zentralen Bus-Terminal im Zentrum Oslos stehen und locker unseren Bus nach Haukeliseter erreichen. Das Wetter ist anfangs ziemlich gut mit über 10°C und sogar etwas Sonne, aber wir wissen leider aus den Wetterberichten der letzten Tage, dass dies nicht bis Haukeliseter so bleiben wird. Und kaum erreichen wir nach ca. 3 Stunden Fahrt das Fjell, beginnt es auch schon zu regnen. Als wir die Hardanger-Hochebene bei ca. 900 Höhenmetern erreichen, kommt dann auch der angekündigte Sturm dazu. Gegen 16 Uhr erreichen wir die auf 1000m hoch gelegene DNT-Fjellstation.


Es schüttet mittlerweile wie aus Eimern und schon während der kurzen Strecke von Bus zum Eingang sind wir sacknass. Meine ursprüngliche Idee, heute noch die erste Etappe zum 20km entfernten Holmevatnet als Abend- und Nachtwanderung zu gehen, verwerfen wir ganz schnell wieder und Quartieren uns für die Nacht in einer der traditionellen Stabbur-Holzhütten ein. Der Wind nimmt zum Abend hin noch zu und erreicht über 30m/s. Nur gut, dass wir das hier aussitzen können und uns erst morgen in den Regen stürzen müssen…
Donnerstag, 6. März 2025
Die Wassertour zum Holmevatn
Der Wetterbericht sagt heute für den ganzen Tag Regen bei leichten Plusgraden voraus. Um wenigstens gut gestärkt in diesen Tag zu gehen, gönnen wir uns ein ordentliches Frühstücksbuffet in der Hütte, bevor wir kurz nach 10 Uhr auf den Ski stehen. Ein Skifahrer warnt uns vor der Querung des großen Ståvatn-Sees, da die zahlreichen hellblauen Stellen nicht aus Festeis, sondern aus Eismatsch bestehen. So umgehen wir den See, wursteln uns zwischen Ståvatn und dem tiefer liegenden Kjelvatn durch, um das südlich anschließende Vassdalen zu erreichen. Durch die starken Regenfälle der letzten Tage haben sich zwischen diesen beiden Seen Schmelzwassertümpel und -flüsse gebildet. Während man die Tümpel, die sich teilweise auf Senken im Schnee, aber auch auf dem Eis des Kjelvatn gebildet haben, durch kleinere Umwege vermeiden kann, ist es bei den Flüssen schwieriger.




Als einer dieser Flüsse schon eine Breite von mehreren Metern und eine ordentliche Strömung aufweist, wird es schon ein kleines Abenteuer, diesen zu überqueren ohne wegzurutschen und – bestenfalls – ein Vollbad bei fast 0°C zu nehmen. Die nassen Schuhe, die wir uns dabei abholen sind der Preis den wir dafür zahlen müssen, aber es gibt keine andere Möglichkeit ohne kilometerlange Umwege. Wenigstens ist das Wetter zwischendurch gnädig und belohnt uns mit einer Regenpause und sogar etwas Sonne. Durch die schwierigen Bedingungen kommen wir leider nicht so gut vorwärts wie geplant.
Nach ca. 3 Stunden Gehzeit und nochmal 2 Stunden später nutzen wir die kurzen Regenpausen für die einzigen längeren Pausen, bevor das Wetter wieder auf Regen und Nebel umschaltet und der Schnee – obwohl wir wieder auf 1200m Höhe sind- immer weicher und nasser wird. So ziehen sich die letzten Kilometer bis zur Holmevatnhytta ewig hin. Wir erreichen die leere Hütte mit dem letzten Licht um 18:30 und schmelzen erst mal etwas Schnee für Kaffee und Tee, bevor wir die völlig durchnässten Klamotten wechseln. Als der Ofen nach ca. 2 Stunden die Raumtemperatur von 3°C auf 15°C erhöht hat, sind die Anstrengungen fast schon wieder vergessen. Für die 23km haben wir fast 8 Stunden gebraucht! Wird das jetzt jeden Tag so sein?


Freitag, 7. März 2025
Die Regentour nach Bleskestadmoen
Wir wachen mit der aufgehenden Sonne auf, die nach 15 Minuten hinter den Wolken verschwindet und danach leider nicht mehr auftaucht. Stattdessen setzt beim Frühstück der Nieselregen ein, der uns mit kurzen Unterbrechungen den ganzen Tag begleiten wird. Obwohl es die ganze Nacht nicht unter Null war, hat der noch gefrorene Boden dafür gesorgt, dass der Schnee wieder relativ hart ist.


Gegen 10Uhr fahren wir die 50Hm zum Holmevatn-See ab und finden dort festes Eis vor. Das ändert sich allerdings in der Mitte des Sees, wo wir wieder auf Wasserlachen und Eismatsch (Slush) treffen. Mit einigen Umgehungen im Uferbereich einer Insel vermeiden wir diese Stellen bestmöglich und stehen nach einer guten Stunde am Staudamm, der wieder etwas Vorsicht nötig macht beim Aufstieg direkt neben der Staumauer. Die folgende Abfahrt ist wegen des mittlerweile aufgezogenen Nebels und dem weichen Schnee zwar nicht schön zu fahren, aber eigentlich unschwer, da hindernisfrei.


Es folgt der zweite große See, der heute zu überqueren ist. Der Sandvatnet ist allerdings nur noch 950m hoch und wir sind nicht sicher, ob dieser noch begehbar ist. Das blaue Eis lässt aus der Ferne nichts Gutes vermuten, ist aber tatsächlich besser, als erwartet. Genau 500m lang. Dann treffe ich auf die ersten Wasserlachen und Eisbrei, der für nasse Füße und Unbehagen sorgt. Obwohl ich über die 20m lange Reepschnur mit Kay verbunden bin, möchte ich hier nicht einsinken. Wir entscheiden uns dafür, zum Ufer und dann zu einer Staudammstraße aufzusteigen, die allerdings nur bruckstückhaft erkennbar, da unter dem Schnee begraben ist. Wir folgen dieser so gut es geht, was nicht immer gelingt, aber erreichen schließlich die Staumauer und denken, dass das Schlimmste geschafft ist. Leider ist dem nicht so.




Es folgt ein Abstieg über die nicht erkennbare Sommerroute, der steil durch Wald und Felsstufen führt und nur teilweise fahrbar ist. Die Winterroute über den offenen Fluss ist derzeit jedenfalls nicht begehbar. So müssen wir mit Ski in der Hand über abenteuerliche Wege den weiteren Abstieg fortsetzen und erreichen den Talboden mit der Hütte erst nach 19 Uhr im Dunkeln.


Zur Krönung des Tages dürfen wir kurz vor der Hütte noch dreimal den Fluss durchqueren. Da wir aber sowieso vollkommen durchnässt sind, ist das auch nicht mehr von Belang und wir suchen gar nicht erst nach Alternativen. Hoffentlich bekommen wir die Sachen wieder trocken bis morgen früh…
Sonnabend, 8. März 2025
Der dritte Regentag: Bleskestadmoen – Jonstølen
Aufgrund der schlechten Bedingungen ändern wir den Plan und gehen heute nicht die harte 28 km Tour zum Krossvatn. Stattdessen teilen wir die Etappe in zwei Abschnitte und gehen heute zunächst nach Jonstølen. Die Hütte liegt eigentlich nicht auf unserem Weg und noch dazu sehr tief auf nur 730m Höhe. Ein weiterer Nachteil dieser Variante ist, dass die Seen unterhalb von 800m wahrscheinlich nicht mehr passierbar sind und auch der Schnee nicht mehr ausreichend vorhanden sein wird. Trotzdem ist es die einzige Möglichkeit, die schon bei guten Bedingungen sehr lange Etappe aufzuteilen. Die vermeintlich kurze Etappe von nominal nur 13km wird bei diesen Bedingungen anstrengend genug werden, dessen sind wir uns durchaus bewußt.


Über hartgefrorene Schneeflecken steigen wir in südwestlicher Richtung durch lichten Birkenwald wieder nach oben, wobei die Schneeauflage dünn bleibt. Wir verlieren kurz den Weg und müssen dann etwas zurück, um den 1079m hohen Moltenuten in recht steilem Gelände südlich zu umgehen. Das anschließende Hochtal bietet flaches und gut zu gehendes Skigelände. Wir steigen auf bis circa 1000m auf einen kleinen Passübergang, bevor wir in das sich anschließende namenlose Hochtal in Richtung Krokvatnet leicht abfahren. Die Schneelage verbessert sich ab hier stetig, nur leider geht der leichte Nieselregen in richtigen Landregen über.




Als wir den 840m hoch liegenden Ausfluss des Krokvatnet erreichen, verlassen wir das jetzt enger und nicht skigeeignete Haupttal nach Jonstølen. Wir biegen nach Süden ab, umgehen diesen Talabschnitt mit einem Umweg über den Krokvatnet und anschließender Abfahrt nach Westen, um das Haupttal erst bei ca. 700m Höhe wieder zu erreichen. Schon von weit oberhalb ist zu erkennen, dass der 680m hohe See Skistølvatnet, über den die Winterroute eigentlich führen soll, teilweise offenes Wasser führt. Wir steigen trotzdem hinab bis zum Ufer und ignorieren dabei eine Behelfsbrücke aus zwei Leitplanken, die auf die andere Seite eines Zuflusses zum Sees führt. Am See angekommen wird schnell klar, dass wir hier nicht drüber kommen werden. Auf dieser Seeseite zu bleiben, ist aber aufgrund des Steilufers auch nicht möglich. Also steigen wir zurück zur Brücke, gehen über diese auf die andere Seite des Zuflusses und steigen wieder zum See ab. An der Einmündung eines zweiten Flusses in den See finden wir ein kleines Delta, wo sich dieser in viele kleinere aufteilt. Hier queren wir und holen uns den dritten Tag in Folge nasse Schuhe ab. Die andere Seeseite ist auf den ersten 500m auch steil, teils schneefrei und das Ufer besitzt nur noch dünnes und brüchiges Eis. Wir lavieren uns mit großem Aufwand durch dieses Gelände und müssen die Ski x-mal ab- und wieder anschnallen. Als der von oben kommende Sommerweg des Haupttales einmündet, kommen wir etwas besser und meist sogar mit Ski vorwärts.






Wir hoffen, nun ohne weitere Hindernisse bis Jonstølen zu kommen, als sich das Tal ein weiteres Mal zu einer Schlucht verengt. Diesmal müssen wir circa 50 Höhenmeter durch einen steilen, teils vereisten Pfad, manchmal auch ohne Pfad, weglos mit den Ski in der Hand aufsteigen, um die Schlucht zu umgehen. Das schlaucht, zumal es wieder stärker regnet. Zur Krönung bricht Kay’s Skistock in diesem wilden Gelände bei einem Ausrutscher ab und er muss ab da mit einem Stock auskommen. Hinter der Schlucht haben wir es dann (fast) geschafft. Ein nahezu schneefreier Fahrweg beginnt und führt uns in die große, grüne Ebene des Mosvatnet mit Weideflächen und einigen wenigen Almhütten, die jetzt alle unbewohnt sind. Hinter einer Brücke des Fahrweges beginnt der steile Aufsteig durch das Rennedalen zur DNT-Hütte Jonstølen, unserem heutigen Ziel. Teils zu Fuß und teils mit Ski schaffen wir diese letzten 100 Höhenmeter auch noch und werden dafür mit einer der schönsten DNT-Hütten belohnt, die wir je gesehen haben. Auf einer kleinen Anhöhe steht die sehr futuristisch aussehende Hütte mit großen Panoramafenstern und sehr komfortablen Aufenthaltsraum. Natürlich sind wir auch hier wieder allein und können unsere nassen Sachen in der gesamten Hütte zum trocknen verteilen. Die vermeintlich kurze Etappe war schlussendlich wieder eine Tour von 8:30h Gehzeit über teils schwieriges Gelände bei bescheidenem Wetter. Aber das kennen wir ja nun schon…



Sonntag, 9. März 2025
Endlich Sonne: Jonstølen – Krossbu
Sonne und blauer Himmel, was ist das? Endlich der ersehnte Wetterwechsel? Nach Frühstück, Abwasch, Zusammenpacken und Hüttenreinigung nehmen wir uns noch ein Viertelstündchen, um einen letzten Kaffee auf der Terrasse vor der Hütte zu trinken mit Blick auf einen imposanten Wasserfall auf der gegenüberliegenden Talseite. Es ist windstill und die Sonne lässt einen die 5°C viel wärmer vorkommen.


Wir starten die heutige Etappe mit einer Tragepassage durch den Wald hinunter zum Fluss und nutzen die Brücke des Sommerweges, da wir nicht glauben, über die weiter östlich verlaufenden Winterroute den Fluss ohne Brücke queren zu können. Nach steilem Aufstieg zu Fuß, erreichen wir den Fluss weiter stromaufwärts und folgen einem kleineren Nebenarm mit den Ski. Wenig später müssen wir diesen queren und finden eine Stelle, die eine halbwegs sichere Querung zulässt. Es klappt recht gut, obwohl der Ausstieg auf der anderen Seite durch abgebrochene Schneeplatten etwas heikel ist. Nach einigen steilen Höhenmetern auf Ski, die sich mit den erstmals benutzten Fellen aber gut gehen lassen, erreichen wir das Kyrkjestein-Hochtal. Easy going jetzt für circa 3 km, bevor das Tal zum Pass merklich steiler wird.






Wir sehen einige Lawinenkegel, die fast die Talsohle erreicht haben. Sie sind wahrscheinlich vor wenigen Tagen nach den massiven Schneefällen hier oben abgegangen. Kurz vor dem Pass versperrt ein vielleicht 300m breiter Lawinenkegel den Weg und wir müssen zu Fuß über die jetzt harten Schneeklumpen steil aufsteigen. Danach ist der 1224m hohe Pass Kyrjesteinskaret erreicht und wir machen erstmals eine ausgiebige Mittagsrast in der Sonne. Was für ein Luxus!




Die Abfahrt auf der anderen Seite bietet beste Bedingungen in einer traumhaften Winterlandschaft. Wir spulen die Kilometer bis zum See Kaldevatnet schnell ab, folgen dem 1100m hohen, völlig eingeschneiten See und biegen dann nach Osten ab, um einer Kette von mehreren Seen bis zur Hütte am Krossvatn-See zu folgen, welches wir erstmals bei Tageslicht und in der Sonne erreichen!




Alle Seen sind hier oben noch gut zugefroren und mit Schnee bedeckt. Welch ein Kontrast zu den tiefergelegenen Seen der letzten Tage. Aber wir wissen auch, dass noch viele Seen zu überqueren haben, die deutlich unter 1000m liegen. Hoffentlich kommt auch die Kälte bald zurück. Heute allerdings gibts erstmal einen schönen Nachmittagskaffee vor dem brennenden Ofen der Hütte, die wir wieder für uns alleine haben.
Montag, 10. März 2025
Vom Krossvatn zum Hovatn
Irgendwie lässt die Kälte auf sich warten, aber immerhin sind es am Morgen -2°C, die kälteste Temperatur seit Beginn unserer Tour vor 4 Tagen. So etwas haben wir in den letzten 20 Jahren noch nie erlebt. Die Etappe heute sollte mit 16km eine leichte und schnelle sein, allerdings dachten wir das schon bei fast allen bisherigen Etappen und wurden stets eines Besseren belehrt. Trotzdem sind wir optimistisch und lassen es geruhsam angehen. Start gegen 10:30 Uhr bei bewölktem Himmel, guter Sicht, wenig Wind und einer Temperatur leicht über 0°C bei noch durchgefrorenem harten Schnee. Gleich von Anfang an wird klar, dass die Navigation durch das sogenannte Hochplateau nicht ganz einfach wird.




Das Herz von Ryfylkeheiene besteht nämlich aus einer unübersichtlichen Landschaft aus Felsen mit teils mit steilen Abbrüchen, die oft überwechtet sind und unzähligen kleineren und größeren Seen, die durch kleine schluchtartige Täler miteinander verbunden sind. Man kann nie mehr als einige 100m weit schauen und sieht oft erst hinter der nächsten Bergkuppe oder Kurve, welches Gelände einen dort erwartet. Somit muss man ständig auf die Karte schauen, den neuen Kurs bestimmen, von dem man aber keine 2min später wieder abweichen muss, da es irgendein Hindernis schlicht erfordert. Mit anderen Worten: es macht einen Riesenspaß, sich durch dieses Gelände zu schlagen, obwohl es an sich nichts spektakuläres zu sehen gibt. Nur bei Nebel dürfte es ein Graus sein, sich hier durchmanövrieren zu müssen. Wir aber erreichen bei gutem Schnee und noch guter Sicht die DNT Hütte Vassdalstjørn und nutzen diese als luxuriösen Platz für eine Mittagspause. Auch der zweite Teil der heutigen Etappe zum Hovatn durch ähnliches Gelände verläuft unkompliziert, obwohl leichter Nebel aufkommt und es kurz vor der Hütte sogar leicht zu schneien anfängt. Auch in dieser Hütte war seit gut 2 Wochen kein Mensch und wir haben sie ganz für uns allein.




Nachdem der erste Schnee geschmolzen, Holz gehackt und der Ofen angeheizt ist, sitzen wir um 17 Uhr beim Kaffee vor dem Kamin und warten, dass sich die Raumtemperatur von 6°C langsam nach oben bewegt. Abends frischt der Wind auf und es schneit nun recht stark. Mit -4°C scheint sich das kältere Wetter nun endlich durchzusetzen. Schön wäre es, erhöht es doch unsere Chancen, die großen und tieferliegenden Stauseen noch überqueren und damit unseren Endpunkt auch erreichen zu können…
Dienstag, 11. März 2025
Im Nebel: Über den Blasjø nach Storsteinen
Es hat über Nacht etwas Neuschnee gegeben und es ist endlich mal wieder kalt am Morgen. Grau in Grau bei -6°C, aber die Sicht ist noch akzeptabel. Unser Ziel ist die Hütte Storsteinen am nördlichen Ende des 20km langen Svartevatn-Stausees, zu der es einen Sommerweg und eine Winterroute gibt. Natürlich wollen wir die letztere nehmen, welche allerdings über einen der größten Stauseen ganz Norwegens, den Blasjø, führt. Ob das durch das Tauwetter der letzten Woche überhaupt noch möglich ist, wissen wir erst, wenn wir das Eis des Sees betreten. Die ersten 4km geht es aber erstmal so weiter wie gestern. Ein Labyrinth aus Felsen, Seen und kleinen Rinnen, welche es bei zunehmend schlechter werdender Sicht zu durchqueren gilt.


Am Blasjø angekommen, sind wir überrascht und heilfroh, dass das Eis hart und stabil aussieht und durch die leichte Pulverschneeauflage der letzten Nacht auch noch schön zu fahren ist. Wir nehmen eine Kompasspeilung vor und folgen dieser für circa 4km in Ost-West Richtung über den riesigen See, der eine Nord-Süd Ausdehnung von mehr als 25km hat. Mitten auf dem See treffen wir dann auch auf die Kvisten (ca. 2m lange Birkenäste), die die Strecke im Winter markieren und eine sichere Linie über das Eis ermöglichen. Diese setzen allerdings immer mal wieder aus, da einige Zweige wahrscheinlich während des Tauwetters umgefallen und im Eis verschwunden sind. Egal, die Bedingungen sind (wieder?) so gut, dass es weder Wasseransammlungen noch offene Stellen oder Risse gibt. Welch ein Unterschied zu den ersten Tagen! Durch die mäßige Sicht hat man den Eindruck, in Grönland oder der Antarktis zu sein, so endlos wirkt der See. Trotzdem erreichen wir nach weniger als einer Stunde die andere Seite. Es folgt ein kurzer, steiler Anstieg über die Eisschollen des Uferbereiches, welche durch den Wasserablass im Winter zurück bleiben. Danach eine Abfahrt durch zwei kleine Talsohlen mit einer Kette aus kleineren Seen, deren Zu- bzw. Abläufe manchmal offene Stellen haben, aber immer problemlos zu umfahren sind. Einige Kilometer vor Storsteinen kommt uns plötzlich ein Skifahrer aus der Gegenrichtung entgegen, der erste und bisher einzig Mensch seit nunmehr 5 Tagen. Welch eine unerwartete Begegnung! Wir unterhalten uns kurz mit dem vielleicht 60-jährigem Engländer, der allein unterwegs ist und erfahren, dass auch der nächste See, den wir morgen auf einer Länge von 20km folgen wollen, sicheres Eis aufweist. Das ist die beste Information, die wir bekommen konnten. Alle Alternativen wären schwierig und zudem sehr zeitaufwändig gewesen und hätten dazu führen können, dass wir unseren Endpunkt, den Lysefjord, nicht mehr erreichen.


Schon gegen 15 Uhr kommen wir an der verlassenen Storsteinen-Hütte an und genießen den so lang ersehnten freien Nachmittag, nachdem die üblichen Arbeiten wie Wasser- und Holz holen erledigt sind, der Ofen brennt und der erste Kaffee gekocht ist. Bei erstmals knackiger Kälte zieht es uns am Abend nochmal für eine Fotosession nach draußen.




Mittwoch, 12. März 2025
Über den Storevatn nach Grautheller
Heute steht uns der streckenmäßig längste Tag mit ca. 25km bevor. Allerdings werden wir davon fast 20km auf dem Storevatn-Stausee unterwegs sein, den wir von seinem nördlichsten zum südlichsten Punkt folgen wollen. Trotz des letzten Wetterberichtes, den wir vor drei Tagen in Jonstølen empfangen konnten, zeigt sich das Wetter freundlich. Sonne und -5°C am Morgen sorgen für gute Stimmung. Beim Start um 9 Uhr hat der Wind allerdings aufgefrischt und bläst uns von schräg vorn ins Gesicht, was nicht so angenehm ist. Glücklicherweise drehen wir zum Storevatn etwas nach Süden ein und bekommen ihn danach wenigstens von schräg hinten. Der lange See ist -wie vom Engländer erwähnt- perfekt verschneit und das Eis darunter ist hart und sicher, so dass wir problemlos und relativ zügig vorwärts kommen. Die Szenerie ist grandios, speziell im oberen Teil, wo sich der See auf nur 300m verengt und die begrenzenden Berge bis zu 400m steil darüber aufragen.



Ungefähr in der Mitte des Sees machen wir bei sehr unangenehmem Wind circa 30min Pause und brauchen danach eine ganze Weile, bis wir -speziell die Hände-wieder warm sind. Man kühlt bei dem Wind, trotz übergezogener Daunenjacken und Hardshells sehr schnell aus, sobald man sich nicht mehr bewegt. Zum Nachmittag verschlechtert sich leider die Sicht wieder, aber die Orientierung auf dem See bleibt mit dem Kompass ziemlich problemlos. Die vom Engländer als problematisch geschilderte Eismatschzone am südlichen Ufer ist durch die letzte kalte Nacht wieder soweit zugefroren, dass wir nicht mehr einsinken.


Nach dem See folgen noch gut 4km durch sehr zerklüftetes Terrain mit viel Auf und Ab und einigen Schwierigkeiten beim Finden der besten Route. Wir müssen ein schluchtartiges Tal queren, finden aber zunächst keine geeignete Stelle zum Abstieg, die fahrbar wäre. Nach einer Viertelstunde des Suchens folgen wir einer gut fahrbare Rinne parallel zum Tal und stehen wenig später im Talgrund. Hier finden hier sofort eine geeignete Stelle, um den stellenweise offenen Fluß über Schneebrücken zu überqueren und auf die andere Seite zu wechseln. Ein kleiner Pool unterhalb eines kleinen Wasserfalls bietet mit sogenanntem ‚Pancake‘-Eis ein Naturschauspiel, was man auch nicht alle Tage sieht.


Nach nochmal knapp 2 km durch leicht abschüssiges Gelände erreichen wir die sehr versteckt auf nur 750m gelegene Grautheller-Hütte nach 7:15h Gehzeit noch im Hellen. Erst 200m vorher können wir sie von einer kleinen Bergkuppe sehen und nach einer letzten steilen Abfahrt über einen ziemlich vereistem Hang erreichen. Mit 25km war diese Etappe zwar streckenmäßig die längste, bezüglich der Höhenmeter aber die leichteste. Ach ja, auch diese letzte Hütte haben wir, wie alle Hütten auf dieser Tour, für uns alleine…
Donnerstag, 13. März 2025
Zum Abschluß das Beste: Der Abstieg zum Lysefjord
Da unsere geplante Abstiegsroute zu einem guten Teil keine Skiroute ist und das Gelände hier sehr unübersichtlich ist und wahrscheinlich noch das ein oder andere Hindernis für uns bereithält, stehen wir schon um 5:30 Uhr auf. Spätestens um 15:15 Uhr müssen wir am Kai in Lysebotn stehen, um das letzte Schnellboot des Tages zu bekommen, das uns in Richtung Stavanger bringen soll. Die einzige Zufahrtsstraße wird erst gegen Mitte Mai geöffnet und stellt somit keine Alternative dar. Wenn wir unseren Rückflug also erreichen wollen, müssen wir das Boot erreichen. Aus diesem Grund halten wir uns ran und stehen bereits kurz nach 7 Uhr zum Sonnenaufgang auf den Ski. Zuerst steigen wir über unsere eigenen Spuren des Vortages bei blauem Himmel, Windstille und frischen -12°C zurück in die Höhe. Alle gestern als schwierig eingeschätzten Stellen inklusive einer Flußquerung erweisen sich als machbar und so kommen wir sehr gut voran.




Mit Hilfe der Karte hatte ich schon vor der Tour eine mögliche Route über 3 kleinere Seen ausgearbeitet, die jetzt, wo die Seen alle wieder sicheres Eis haben, passierbar sein sollten und zudem einige Höhenmeter, Wegstrecke und somit Zeit gegenüber dem Sommerweg sparen. Die Annahme erweist sich glücklicherweise als richtig und bietet auch landschaftlich einiges. Völlig unberührtes Gelände mit tiefverschneiten Seen, die von hohen Felswänden umrahmt werden. Dazu Sonne satt und Windstille. So macht das Skitouren richtig Spaß und allein dieser Tag kompensiert für das tagelange schlechte Wetter am Anfang der Tour. Die Abfahrten zwischen den Seen sind fast alle mit Ski fahrbar, nur an einigen sehr steilen Stellen tragen wir kurz um. Wieder am Sommerweg finden wir selbst auf 700m noch einen vereisten See, über den wir schnell und ohne mühsame Umwege über steile Uferfelsen Strecke machen. Da wir nun das schwierigste Stück hinter uns haben, erlauben wir uns sogar eine halbstündige Pause gegen 11 Uhr.




Die weitere Abfahrt ist leicht, bis wir zu einer steilen Rinne kommen, wo wir abtragen. Auf circa 600m Höhe angekommen ist dann aber endgültig Schluss mit den Ski. Die ersten Grashänge tauchen auf und lassen kein sinnvolles Skifahren mehr zu. Wir schnallen die Ski an die Rucksäcke und gehen zu Fuß weiter über teils heikle, weil mit Wassereis überzogene Felsen. An einigen Stellen müssen wir sogar in den Felsen herumkraxeln, was mit den langen Ski am Rucksack gar nicht so einfach ist und trotzdem einen Rießenspaß macht. Auch jetzt haben wir Glück. Der Übergang zwischen Winter und Sommer findet auf nur rund hundert Höhenmetern statt. Dann stehen wir auf dem meist schnee- und eisfreien Sommerweg, der zwar teils steil nach unten führt, insgesamt aber problemlos ist. Durch immer dichter werdenden Birkenwald führt der Pfad an steilen und hohen Felswänden vorbei, von denen jetzt gegen Mittag die Eisstücke nur so nach unten in die Talsohle krachen, während wir auf der anderen Seite entspannt dabei zuschauen.






Wir erreichen das kleine Dörfchen Lysebotn gegen 14 Uhr und gegen 14:30 Uhr den nochmal 3km entfernten kleinen Fähranleger am Fjord. Es sieht so unglaublich verlassen hier aus, dass man kaum glauben mag, es würde heute noch ein Boot fahren. Viertel vor drei tauchen dann einige Arbeiter vom Energieversorger Statkraft auf, die uns bestätigen, dass das Boot fährt. Und tatsächlich, pünktlich um 15:10 Uhr legt das kleine Schnellboot an und bringt uns zusammen mit den Arbeitern in nur 1:15h die gut 40km durch den spektakulären Lysefjord nach Lauvvik, von wo es in weiteren 45min mit dem Bus nach Sandnes, einem Vorort von Stavanger geht. Hier übernachten wir nochmal in einem schönen Appartment, nehmen die erste Dusche nach 8 Tagen und lassen die Tour bei Lachs, Pestonudeln und einigen Carlsberg ausklingen, bevor wir am nächsten Tag von Stavanger nach Hause fliegen.




Fazit